Sonne, Meer, Strand.
Kaum einer der Badetouristen ahnt, welch wildes und einsames Gebirge hinter den Ferienressorts beginnt und welch abenteuerliche Touren dort möglich sind.
Ende April haben wir uns einen Teil des europäischen Fernwanderwegs E4 an der westlichen Südküste vorgenommen. Dies soll der letzte Test von Ausrüstung und Kondition vor meinem Start der Speyer- Mittelmeer-Tour sein. Unsere Rucksäcke sind bis auf wenige Abweichungen so gepackt wie wir das für die GTA planen. Auf Kreta kommen noch einige Sachen, wie Kocher und Wasserfilter, dazu. Erstmals dabei ist unser neues Leichtgewichtszelt von BigAgnes. Hier sind wir besonders auf unsere Erfahrungen gespannt.
Tagesbedarf 4 Liter Wasser
Los geht’s in Paleochora mit einer guten Einlaufetappe von 16 km bis Sougia. Es zeigt sich gleich zu Beginn was den E4 in Kreta ausmacht. Schmale Pfade führen in Sichtweite des Meeres an der Steilküste entlang. Der Blick schweift über das tiefblaue Meer bis zur kleinen Insel Gavdos.
Obwohl im April/ Mai bestes Wanderwetter herrscht, treffen wir nur auf wenige andere Hiker. Endpunkt der ersten Etappe ist das kleine Dorf Sougia, mit Pensionen und Tavernen. Die Reisesaison hat auch hier noch nicht richtig begonnen. Problemlos bekommen wir ein günstiges Zimmer und können dann die verbrannten Kalorien und die verlorene Flüssigkeit in der nahe gelegenen Taverne wieder auffüllen.
Nicht mehr ganz so easy geht es am nächsten Tag knapp 20km nach Agia Roumeli. Gerne wird dieser Abschnitt als Königsetappe des E4 in Kreta bezeichnet. Der Weg ist sehr anspruchsvoll, es sind mehr als 1100 Höhenmeter zu bewältigen und vor allem gibt es nur eine einzige Quelle auf dem Weg. Diese sollte man nicht verpassen, sonst muss man eine Tagesration plus Sicherheitreserve an Wasser mit sich führen. Auf Grund der steilen Passagen und des oft fehlenden Schattens ist der Wasserbedarf enorm. Jeder von uns trinkt 4 Liter Wasser und trotzdem erreichen wir mit Beginn der einsetzenden Dunkelheit durstig den Ort am Ausgang der Samaria Schlucht.
Aradena Schlucht
Die nächsten zwei Tage bis Chora Sfakion sind dagegen deutlich entspannter. Die Etappen sind nicht mehr so fordernd und es gibt immer wieder mal ein Cafe an einer Bucht. Besonders gefällt uns der kleine Ort Loutro, der wie Agia Roumeli, nur zu Fuß oder per Schiff erreichbar ist. Spontan legen wir hier einen Zwischenstopp ein und starten am nächsten Tag eine Rundtour durch die Aradena- Schlucht. Die Aradena Schlucht ist vielleicht die spektakulärste der vielen Schluchten Kretas. Die bekannteste und meist frequentierte ist die längere Samaria- Schlucht. Diese ist aber bei unserem Besuch noch wegen Frühlings- Hochwasser geschlossen.
Schluchtenlabyrinth
In Chora Sfakion endet unsere Wanderung entlang der Küste. Unsere geplante Tour soll nun in die Lefka Ori (weißen Berge) führen. Wir haben inzwischen starke Zweifel, ob dies zur Zeit wirklich möglich ist. Die Berge sind noch immer tief verschneit und wir haben von einigen Wanderern gehört,dass die Wege unpassierbar seien. Aber seitdem sind wieder einige Tage vergangen und die Zeit (oder auch die Sonne) arbeitet hier für uns. Stück für Stück steigen wir in der Sfakiano Schlucht Richtung Niato Hochebene nach oben. Unser sonst hervorragender Wanderführer berichtet von einem einsamen und einfach zugehenden Weg. Das erste stimmt schon mal, denn wir sind die einzigen heute. Bei der anderen Beschreibung hat sich der Autor aber vertan. Immer wieder sind längere Kletterpartien notwendig, bei denen wir die Rucksäcke absetzen und mit Seilen nachziehen müssen. Das kostet Zeit und Kraft und als es langsam Abend wird,müssen wir feststellen, dass die Trinkblasen leer sind und es immer noch 1,2 km Luftlinie bis zur nächsten Quelle ist. Dazu kommt, dass wir uns in dem Labyrinth der Schluchtverästelungen scheinbar verlaufen haben.
Ein GPS ist eine fantastische Sache. In den tiefen Schluchten aber nur mit Einschränkungen nutzbar. Meist ist der Empfang sehr schlecht und die Positionsbestimmung damit ungenau (Abweichung +-50m ist dann normal). Bei 50m Abweichung kann man dann aber schon in der parallel verlaufenden Schlucht unterwegs sein, ohne es zu ahnen.
Bevor wir aber an dem Abend die Notfallpläne bis zu Ende denken konnten, finden wir wieder eine Weg- Markierung und gelangen mit dem letzten Licht in die Niato Hochebene zur ersehnten Zisterne.
Wasser aus der Zisterne
Trotz des Wasserreichtums der Insel ist nur selten offenes Trinkwasser zu sehen. Das meiste versickert sofort in dem Karstgestein und fließt unterirdisch gen Meer. Selbst in der Niato Hochebene auf 1250m, welche von schneebedeckten 2000ern umgeben ist, gibt es kein Wasser. Zum Glück für uns Wanderer, haben aber die Hirten zur Versorgung ihrer Tiere Zisternen angelegt. Diese sind jetzt im Frühjahr randvoll, so dass ich problemlos an das Wasser komme. Nicht auszudenken, wenn man im Sommer durstig an die Zisterne kommt und kein Seil mit Gefäß zum Schöpfen dabei hat.
Schneemassen im Mai auf der Sonneninsel
Der nächste Morgen verlief dann wie vermutet. Wir steigen unseren Weg noch knapp 150 Höhenmeter nach oben und erreichen ein langes Schneefeld. Hier gibt es kein Weiterkommen mehr. Nicht mal mit Steigeisen würde ich hier weiter gehen. Immer wieder waren wir im Vorfeld an großen Einsturztrichtern direkt am Weg vorbeigekommen. Wer weiß, was unter dem Schneefeld alles verborgen ist.
Unsere geplante Rundtour müssen wir hier zwar beenden, aber unseren geplanten Ausrüstungstest sehen wir als gelungen an. Wichtigste Erkenntnis: Die Rucksäcke müssen noch leichter werden. Ideen dazu haben wir detailliert erfasst. Ansonsten waren wir mit unserem Equipment sehr zufrieden. Alles hat sich gut bewährt. Jetzt muss es uns nur noch gelingen die wirklich entbehrlichen Sachen zu identifizieren und zu Hause zu lassen.