Etappe 5: GTA Süd- von Susa nach Süden

Jetzt lesen
Jörg

Zurück in Susa

4 Tage später stehe ich, von Turin kommend, wieder am Bahnhof von Susa. Nach der Wanderpause und dem städtischen Leben in Turin habe ich jetzt wieder richtig Lust weiter zu laufen. Hinter Susa beginnt der südliche Teil der GTA, welcher in den ersten 20 Tagesetappen fast direkt nach Süden führt. Während die Wegführung der GTA im Norden meist immer klar und eindeutig ist, gibt es im Süden oft verschiedene Streckenvarianten. Teils wurde der Wegeverlauf im Zuge des Ausbaus der touristischen Infrastruktur angepasst und es gibt GTA alt und GTA neu, teils stehen aber auch die Varianten gleichberechtigt nebeneinander. Dadurch werde ich immer wieder vor die Entscheidung gestellt, welchen Weg ich für die nächste Etappe wähle.

Das beginnt dann schon am ersten Tag: Um nach Usseaux zu gelangen gibt es einen zweitägigen Bogen nach Westen oder einen zweitägigen Bogen nach Osten. Nach einem Check der Wanderkarten in der Touri- Information in Susa entscheide ich mich für Variante drei: Gerade mittendurch. Zwar ist der Weg hier nicht durchgängig und es gibt unterwegs keinerlei Möglichkeit zur Übernachtung, aber ich habe heute einfach Lust auf's "Stecke machen".

Am Ende war es halb so wild. Ich komme schon am späten Nachmittag in Usseaux im Posto Tappa an. Neben dem Besitzer empfangen mich 4 weitere GTA Wanderer. 3 Deutsche und ein Australier. Ich bin wieder zurück auf der GTA.

Zurück auf der GTA

Die GTA Familie

Nur wenige Wanderer sind entlang der GTA unterwegs. Angeblich nur 250- 300 pro Jahr. Bis auf wenige Teilstrecken, bei der die GTA zusammen mit lokalen Rundwanderwegen verläuft, ist eine Wanderung auf der GTA sehr einsam. Fast alle laufen von Nord nach Süd (meine Schätzung >95%). Das nächste Überraschende ist, dass der Großteil der Wanderer deutschsprachig ist. Deutsche und Schweizer stellen den überwiegenden Teil. Danebentraf ich noch einige andere Europäer, aber auch Australier und Neuseeländer. In Italien ist die GTA hingegen fast völlig unbekannt. Ich traf gerade mal einen Italiener, der mehr als eine Tagesetappe auf der GTA lief.

Das Schöne ist: Während man am Tage die Ruhe in den Bergen genießen kann trifft, man am Abend im Posto Tappa eigentlich immer andere Wanderer an. Da ein Abweichen von der Etappenlänge und Führung schwierig ist, kann es sein, dass man über Tage oder gar Wochen immer wieder den gleichen Leuten begegnet. Manchmal entsteht dadurch eine richtige GTA Familie auf Zeit.

GTA Familie

Im Zeichen des Monviso

Als gewaltiger Klotz überragt der Monviso (3841m) alle anderen Berge um mehr als 500m. Nachdem wir den markanten Gipfel erstmals am Rocciamelone im Süden gesehen hatten, schiebt er sich jetzt immer wieder ins Bild. Auch hier erlaubt die Wegführung verschiedene Möglichkeiten der Umrundung (Eine Besteigung ist Bergsteigern mit Führer vorbehalten). Ich entscheide mich für den westlichen Weg, in der Hoffnung, dass ich von dem dicken Nebel aus der Poebene verschont werde und so einen guten Blick auf den Gipfel erhaschen kann. Vom Rifugio Jervis laufe ich auf direktem Weg vorbei am Rifugio Granero und bin dann nach einem Passübergang in Frankreich. 2h spätergeht es über den Passo die Vallanta schon wieder zurück nach Italien und direkt zum Rifugio Vallanta.

Rifugio Vallanta am Fuß des Monviso

Die Hütte liegt direkt unter dem Gipfel des Monviso auf 2444m und ist architektonisch sehr interessant. Sowohl der Bau, als auch der Schlafsaal wurde dem dahinter liegenden Gipfel nachempfunden. Aber noch mehr als die Architektur beeindruckt mich der strahlend blaue Himmel. Wie gemeiselt steht der Gipfel im Abendlicht. Wie ich später von anderen Wanderern erfahre, ist von der östlichen Seite hingegen an diesem Tag wegen dicken Nebels nichts zu sehen.

Gipfel des Monviso von Westen

Militärischer Irrsinn in den unwegsamen Bergen

Immer wieder stöße ich auf der südlichen GTA auf Relikte der militärischen Konfrontation zwischen Italien und Frankreich. Wie Mahnmale stehen in völlig abgelegenen Bergregionen verfallene Kasernen und militärische Einrichtungen. Auch ein engmaschiges Netz von alten Militärstraßen durchzieht diese Alpenregion. Die GTA folgt teils diesen Straßen, die bestens ausgebaut die Versorgung der Stellungen gewährleisten sollte.

In Anbetracht eines heute vereinten Europas kann ich über den damaligen Irrsinn nur mit dem Kopf schütteln.

Ruine einer Kaserne in den Bergen

Weiter nach Süden

Mitte August bin ich bereits 80 Tage unterwegs. Das Laufen macht mir so viel Spaß wie am ersten Tag. Inzwischen lege ich häufiger sogar 2 Tagesetappen an einem Tag zurück. Ich bin nicht in Eile, spüre aber, dass ich nach mehr als 1400km einfach schneller geworden bin und kaum noch Pausen zur Erholung benötige. Dabei ist es die größte Freude für mich zu Fuss durch diese tolle Landschaft zu laufen.

Beim Wandern bin ich so schnell unterwegs, dass ich Details am Wegesrand, Geräusche und Gerüche aufnehmen kann - Kurz: die Landschaft, welche ich durchwandere mit allen Sinnen erfahre. Für mich ist es nach wie vor die schönste und umfassendste Art eine Region zu erleben. Die Landschaft ist keine Kulisse, ich fühle mich beim Wandern als ein Teil davon.

So bin ich inzwischen weit nach Süden vorgedrungen. Die Landschaft hat sich in den letzten Wochen deutlich gewandelt. Der Wald ist lichter und immer wieder laufe ich durch großflächige gelbe vertrocknete Bergwiesen. Bei jedem Schritt schrecken ganze Schwärme von Grashüpfern auf und es liegt etwas Mediterranes in der Luft.

Getrübt wird die Wanderung einzig durch den zähen und fiesen Nebel, der fast täglich ab Mittag die Berge aus der Ebene emporschiebt. Während ich so durch den Nebel stapfe und im Wanderführer etwas von fantastischer Ausscht lese, muss ich an meinen Abstecher auf die westliche Seite des Alpenkamms beim Monviso denken. Ob es hier genauso ist, dass auf der französischen Seite die Sonne scheint, während ich auf italienischer Seite im Nebel gefangen bin?

Ich beschließe es zu probieren und in den Mercantour Nationalpark auf die französische Seite zu wechseln. Beim Rifugio Elena Soria verbringe ich meine letzte Nacht in Italien. In der Hütte ist fast nichts los. Ich treffe einen Italiener wieder (der einzige italienische GTA Wanderer in 42 Tagen auf der GTA, den ich aber gleich 3-mal unterwegs getroffen habe),ein deutsches Paar und 2 tschechische Frauen, die nur ein paar Tage durch das Piemont laufen.

Morgen geht es nach Frankreich. Ciao Italia, ciao GTA.

Über dem Nebel

Fazit: GTA Süd - vom Susa nach Süden

  • 14/0 Wander- /Pausentage
  • 256 Kilometer
  • 18.300 Höhenmeter im Anstieg
  • Highlights: Monviso, Dolomiten von Cuneo
  • Überraschendes: militärische Festungsanlagen inmitten unwegsamer Bergwelt
  • Negatives: Ein Teil der alten Militärwege sind als Wander- und als Fahrwege zugelassen
  • Gefährliches: nix

Link zur interaktiven Karte bei outdooractive

Weiter zur nächsten Etappe

Keine weiteren Bildern vorhanden.
Verwandte Suchbegriffe: